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Illahee: Die Bedeutung der Berge in indigenen Kulturen
Chief Frank Antoine, Stammesführer der Bonaparte First Nation erzählt euch, was er erfahren hat, als er dem Wind in den Bergen des Thompson Okanagan zuhörte.
Der Totempfahl im Pazifischen Nordwesten ist etwas, das die meisten Reisenden – und viele Ortsansässige ebenso – bewundern, aber mitunter nicht wirklich verstehen. Diese von indigenen Holzschnitzern gestalteten Totempfähle stellen nicht allein einzigartige Kunstwerke dar, sondern auch Geschichten und Landmarken. Jedes davon ist ein Symbol der Familiengeschichte und der Vorfahren, das eine Verbindung zum Land und seinen Ressourcen darstellt.
Totempfähle am SGang Gwaay Llanagaay der Gwaii Haanas National Park Reserve and Haida Heritage Site im Norden British Columbias. Foto: Brandon Hartwig
Seit jeher geben die indigenen Völker ihr Wissen von Generation zu Generation mündlich weiter, das heißt auch in der Form von Geschichten. Die Totempfähle sind die traditionelle Art die Geschichte eines bestimmten Clans zu erzählen oder Legenden, Geschichte und Kultur zu überliefern. Jeder Totempfahl zeichnet sich durch seine eigene Geschichte aus und kann spezifischen Kategorien zugeordnet werden; Die Kategorien werden durch die Lage des Totempfahls und den Anlass, zu welchem dieser geschnitzt wird, bestimmt.
Beim Schnitzen eines Totempfahls im Studio von Calvin Hunt in Port Hardy. Foto: Calvin Hunt
Welcoming Poles wurden traditionell am Wasser errichtet, um Besucher zu begrüßen. Heute stehen modern gestaltete “Willkommens-Totempfähle” an bedeutenden Sehenswürdigkeiten und begrüßen Besucher beim Betreten von indigenem Land, zum Beispiel in Museen und Kulturstätten. Früher waren sog. House Poles bei Häuptlingen von hohem Rang in deren Zuhause zu sehen: In jeden Totempfahl wurde dabei sorgfältig die Familiengeschichte geschnitzt. Als Ehrenmal oder Memorial Pole standen die Totempfähle vor dem Haus, um auf besondere Errungenschaften oder Begebenheiten im Leben der verstorbenen Familienangehörigen hinzuweisen. Als Grab-Totempfähle wiederum beherbergten sie die sterblichen Überreste jener, die eine hohe Stellung innerhalb der Gemeinschaft innehatten. Dabei wurden die Pfähle umgedreht, um am oberen Ende mehr Platz und einen Hohlraum für die Überreste zu schaffen.
Totempfähle als Willkommenssymbol am Campingplatz der Qualicum First Nations in Qualicum Beach; geschnitzt von Simon Charlie
Vieler dieser Pfähle kann man immer noch an verschiedenen Orten der Westküste sehen, doch es gibt einen Totempfahl, der nur im Museum zu finden ist: Der “Schampfahl”. Dieser wurde traditionell im Auftrag eines Häuptlings gebaut, der damit einen anderen, häufig einen Rivalen, demütigen oder verspotten wollte. Diese Art von Totempfahl zeigt sein Sujet in einer weniger schmeichelhaften Darstellung. Wurde das Unrecht wieder gutgemacht, so verschwand auch der Pfahl.
Beim Schnitzen eines Totempfahls im Haida Heritage Centre in Skidegate, Haida Gwaii. Foto: Kent Bernadet
Jedes Bild, das in einen Totempfahl geschnitzt wird, repräsentiert eine Erzählung und dokumentierte Geschichte. Häufig kommen Lebewesen aus der natürlichen Umwelt auf den Totempfählen vor, zum Beispiel Bären, Fische, Wölfe und Wale, aber auch Fabeltiere wie der Donnervogel oder die Seeschlange. Oft wird ein bestimmtes Wesen als Wappen einer indigenen Familie auf dem Pfahl dargestellt – dieses Wappen wird in der Regel von Generation zu Generation weitergegeben, kann aber auch durch Heirat erworben werden, durch die Unterwerfung eines Feindes oder aber auch von einer anderen Familie übernommen werden. Dieses Familienwappen erscheint häufig an der Spitze des Totempfahls.
Ein Totempfahl als Ehrenmal auf einem Grabfeld der Namgis in Alert Bay.
Totempfähle können auch Objekte aus Zeremonien oder dem Alltag beinhalten, die auf den sozialen Status einer Familie verweisen, oder auf Legenden, die im Zentrum der Geschichte des Totems stehen. Diese Pfähle verkörpern häufig die Stellung einer Familie innerhalb ihrer Gemeinschaft, ihre Herkunft und Abstammung, Rechte und Privilegien, übernatürliche Erfahrungen, Territorien, Eheschließungen und das Gedenken an die Vorfahren. Ein Totempfahl repräsentiert die gesamte Familiengeschichte und ist für die Ewigkeit geschaffen.
Totempfahl am Ksan Historical Village & Museum. Foto: Grant Harder
Sobald ein Totempfahl vollendet ist, wird anlässlich seiner Errichtung ein Fest ausgerichtet, das mit einem Potlatch einhergeht. Besucher von nah und fern kommen dann bei den mehrere Tage andauernden Feierlichkeiten zusammen. Auf das Verbot der Potlatches durch die kanadische Regierung im Jahr 1884 folgte eine Zeit, in der Totempfähle vermehrt gekauft oder für Sammler auf der ganzen Welt gestohlen wurden. Gleichzeitig schieden die traditionellen Schnitzer aus dem Leben, ohne ihr Wissen und Können an die nächste Generation weitergereicht zu haben. Dies führte dazu, dass die Kunst des Totempfahl-Schnitzens in den 1950er Jahren beinahe ausgestorben war.
Die Mitarbeiter des Museum of Anthropology an der University of British Columbia verstanden, welche Tragweite der drohende Verlust dieses traditionellen Kunsthandwerks hatte. So wurde im Jahr 1950 Mungo Martin, zu jener Zeit einer der letzten verbliebenen Schnitz-Meister im Pazifischen Nordwesten, mit der Nachbildung alter Totempfähle beauftragt, die dem natürlichen Verfall geweiht waren. Dieser Voraussicht sowie der Aufhebung des Potlatch-Verbotes im Jahr 1951 ist es zu verdanken, dass diese Kunst wieder zu neuem Leben erweckt werden konnte. Sie brachten eine neue Generation an Schnitzern hervor, die u.a. beauftragt wurden alte, von Zeit und Witterung in Mitleidenschaft gezogene Totempfähle wieder nachzubauen.
Beim Bemalen der Nachbildung eines Totempfahls im Studio von Calvin Hunt. Foto: Calvin Hunt
Noch mehr Bedeutung wurde dieser kulturellen Tradition im Jahr 1966 zuteil, als die Regierung der Provinz die Hundertjahrfeier der Vereinigung der Kolonien von Vancouver Island mit dem Rest von British Columbia ausrichtete. Als Teil dieser Gedenkveranstaltung wurden 11 indigene Schnitzer mit dem Bau von 19 Totempfählen beauftragt, die eine neue “Route of the Totems” bilden sollten. Diese Totempfähle sollten die Land- und Wasserroute von Tsawwassen auf dem Festland in den Süden Vancouver Islands und bis hoch nach Prince Rupert im Norden von BC veranschaulichen. Die meisten dieser Schnitzer gehörten der letzten Generation von traditionell ausgebildeten indigenen Künstlern eines Stammes an, und die zu diesem Anlass kreierten Pfähle gehören zu den letzten Hinterlassenschaften ihrer Werke.
Startpunkt der Totem-Tour in Duncan
Viele der Totempfähle entlang der “Route of the Totems” sind heute noch vorhanden. In ganz BC werden außerdem traditionelle Totempfähle errichtet, um den indigenen Völkern Respekt zu zollen. Die Stadt Duncan, heute auch bekannt als “The City of Totems” – also als Stadt der Totempfähle – hat erkannt, welch bedeutender kulturgeschichtlicher Wert den Totempfählen innewohnt. So wurde hier eine Tour durch das Zentrum des Ortes ins Leben gerufen, die Besucher zu 39 Totempfählen führt, die von verschiedenen indigenen Künstlern in unterschiedlichen Stilen gestaltet wurden. Der mit 53 Metern welthöchste Totempfahl steht in der abgeschiedenen Siedlung von Alert Bay. Dort auf dem Grabfeld der Namgis sind außerdem noch weitere Totempfähle zu finden, die sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls befinden. Totempfählen die Rückkehr zur Erde zu gewähren, und damit zu ihrem Ursprung, ist Teil der Tradition. Heute werden viele verwitterte Totempfähle restauriert oder nachgebildet, um die Geschichten, die in sie geschnitzt wurden, am Leben zu erhalten.
Totempfähle sind nicht nur einzigartige Kunstwerke, sie erzählen auch Geschichten – Geschichten, welche die indigenen Völker mit ihrer Vergangenheit verbinden, und die ihre Zukunft repräsentieren: Ein wahres Zeugnis der Resilienz der indigenen Völker British Columbias, ihre Kultur und Traditionen lebendig zu halten.